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Vermeidender Bindungsstil in Konflikten III

Konfliktverhalten von Menschen mit vermeidendem Bindungsstil 

 

 

Menschen mit einem vermeidenden Bindungsstil haben eine charakteristische Art, mit Konflikten umzugehen. Da sie sich von intensiver Nähe und starken Emotionen schnell überfordert fühlen, neigen sie dazu, Streitigkeiten zu vermeiden, herunterzuspielen oder sich zurückzuziehen. Ihr Umgang mit Konflikten ist daher weniger von Konfrontation als vielmehr von Distanzierung geprägt.

 

Typischerweise versuchen sie, Diskussionen gar nicht erst aufkommen zu lassen oder schnell abzubrechen. Häufig wechseln sie das Thema oder äußern Sätze wie „Das bringt doch nichts“ oder „Lass uns nicht streiten“, in der Hoffnung, dass sich der Konflikt von selbst löst. Besteht ihr Partner auf einem Gespräch oder eskaliert eine Auseinandersetzung, ziehen sie sich abrupt aus der Situation zurück oder beenden das Gespräch ohne eine echte Klärung. Auch später sprechen sie das Thema nicht mehr an. 

 

Ein weiteres häufiges Verhaltensmuster ist die emotionale Abschottung. Menschen mit einem vermeidenden Bindungsstil wirken in Streitmomenten oft plötzlich kühl, distanziert oder emotional „abgeschaltet“. Sie reagieren mit Schweigen oder kurzen, nüchternen Antworten und benötigen oft Stunden oder sogar Tage, um sich wieder emotional zu öffnen. Dieser Rückzug dient ihnen als Schutzmechanismus, um nicht mit den eigenen unangenehmen Gefühlen konfrontiert zu werden.

 

Anstatt sich direkt mit den eigenen Emotionen oder denen des Partners auseinanderzusetzen, neigen vermeidende Personen dazu, Konflikte zu rationalisieren. Sie analysieren die Situation sachlich, ohne die emotionale Komponente wirklich einzubeziehen.

Häufig äußern sie Sätze wie „Du bist zu emotional“ oder „Wir sollten das objektiv betrachten“, was den Partner oft frustriert, da seine Gefühle nicht ernst genommen oder als übertrieben abgetan werden. Zusätzlich neigen Menschen mit diesem Bindungsstil dazu, Probleme zu bagatellisieren oder herunterzuspielen. Aussagen wie „Mach nicht so ein Drama“ oder „Das ist doch nicht so wichtig“ sind typisch. Dabei empfinden sie das Problem möglicherweise wirklich als weniger gravierend, während der Partner sich nicht ernst genommen fühlt.

 

Ein weiteres typisches Muster ist die Flucht in Unabhängigkeit. Anstatt sich aktiv mit dem Konflikt auseinanderzusetzen, wenden sich vermeidende Menschen anderen Beschäftigungen zu – sei es Arbeit, Hobbys oder soziale Aktivitäten. Dadurch gewinnen sie Abstand, laufen jedoch Gefahr, sich innerlich immer weiter zurückzuziehen und die emotionale Verbindung zum Partner zu verlieren.

 

Dieses Konflikt(vermeidungs)verhalten führt dazu, dass kein tieferes Vertrauen in einer Freundschaft oder Partnerschaft wachsen kann. Denn gut geführte Auseinandersetzungen und Selbsterklärungen, bei denen sich beide Seiten verletzlich zeigen, führen zu einer tieferen Verbindung.

 

Auswirkungen auf den Partner

Der Umgang mit Konflikten eines vermeidenden Partners kann sehr herausfordernd sein. Hat der Partner einen ängstlich-ambivalenten Bindungsstil, also ein starkes Bedürfnis nach Nähe, kann der vermeidende Rückzug für ihn besonders schmerzhaft sein. Es entsteht bei ihm das Gefühl, nicht „durchzudringen“, was Frustration und Unsicherheit auslöst. Die Angst, nicht geliebt oder verlassen zu werden, führt dazu, dass der ängstliche Partner umso stärker um Nähe bemüht ist – was den vermeidenden Partner wiederum weiter in die Distanz treibt.

 

In Beziehungen zwischen zwei vermeidenden Partnern verläuft die Dynamik hingegen anders. Da beide Konflikten aus dem Weg gehen, werden Probleme selten offen angesprochen. Die Beziehung kann auf den ersten Blick harmonisch wirken, sie bleibt jedoch oberflächlich und emotional distanziert. Über Jahre hinweg kann die mangelnde Auseinandersetzung dazu führen, dass sich die Beziehung allmählich auflöst, ohne dass es zu offenen Konflikten kommt.

 

Wie können vermeidende Menschen ihren Konfliktstil verbessern?

Um eine gesunde Beziehung führen zu können, ist es für vermeidende Menschen wichtig, sich bewusst zu machen, dass Konflikte nicht einfach verschwinden, wenn man sie ignoriert. Rückzug kann zwar kurzfristig Erleichterung bringen und auch klug sein, er verhindert aber langfristig eine echte Lösung.

 

Ein erster Schritt besteht darin, emotionale Offenheit zu üben, indem sie bewusst versuchen, sich auf die Gefühle ihres Partners einzulassen. Dies muss nicht von heute auf morgen geschehen – kleine Schritte sind ausreichend, um langsam mehr Nähe zuzulassen, ohne sich überfordert zu fühlen.

Zudem kann es hilfreich sein, Kommunikationstechniken wie „Ich-Botschaften“ zu nutzen, um die eigenen Emotionen auszudrücken, anstatt sich auf rationale Analysen oder Abwehrmechanismen zu verlassen.

Vermeidende Menschen könnten lernen, dass emotionale Nähe nicht bedeutet, die eigene Unabhängigkeit zu verlieren. Ein verständnisvoller Partner kann diesen Prozess unterstützen, indem er nicht sofort eine emotionale Reaktion fordert, sondern geduldig bleibt und dem vermeidenden Partner Raum gibt, sich zu öffnen – ohne Druck oder Vorwürfe. 

Durch gegenseitiges Verständnis und bewusste Kommunikation kann auch eine vermeidende Person lernen, Konflikte nicht als Bedrohung, sondern als Chance für mehr Verbundenheit zu sehen.

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